Mit fast ländlichem Charakter

WOCHENBLATT Mannheim

Das erste Mannheimer Klärwerk war bis 1973 in Betrieb – Nun als Atelier genutzt. Von Veit Lennartz.

Man hatte es kommen sehen, denn das konnte auf Dauer ja nicht gut gehen. Bis 1900 leitete die Stadt Mannheim, wie andere Gemeinden übrigens auch, ihr Abwasser noch ungesäubert in den Rhein. Sehr zur Freude ihrer Bürger, denn die brauchten für ihre Abwasserbeseitigung nichts zu bezahlen. Das sollte sich aber bald ändern. Die Stadt wurde von der badischen Landesregierung ermahnt, endlich eine Kläranlage zu bauen. Und am 1. Juni 1905 passierte das, wovor sich die Bürger gefürchtet hatten: in ihren Briefkästen lag eine amtliche Mitteilung, dass ab sofort eine Gebühr für die Benutzung der städtischen Kanäle fällig sei.

Dazwischen lag der Bau des ersten Mannheimer Klärwerks, das zu den Prachtwerken des Stadtbaumeisters Richard Perrey gehört, der zwischen 1902 und 1923 in der ganzen Stadt seine Spuren hinterlassen hat und Zweckbauten in Kunstobjekte verwandelt hat. In der Diffenéstraße, Ecke Einsteinstraße kann man die Bauwerke in Augenschein nehmen, die fast vollständig erhalten sind, obwohl sie 25 Jahre brach lagen. Heute wird das Klärwerk vom Künstler Rüdiger Krenkel als Atelier und von Biotopia als Qualifizierungsbetrieb genutzt.

Bald nach der Anweisung der badischen Landesregierung hatte sich das städtische Bauamt an die Planung gemacht, 1903 erteilte die Wasserpolizei ihre Genehmigung und 1904 begann der Bau. 10.000 Quadratmeter standen zur Verfügung, sechs Klärbecken wurden errichtet, zwei Pumpenhäuser, ein Wasserturm und das Wohnhaus des Klärwerkmeisters. Die Anlage sollte das Schmutzwasser der höher gelegenen Stadtteile Sandhofen, Waldhof und Luzenberg aufnehmen und über das Hebewerk am Ochsenpferch, das gleichzeitig errichtet wurde, sollte das Abwasser der tiefer gelegenen Stadtteile links des Neckars und der Neckarstadt auf das Niveau der Kläranlage hochgepumpt werden.

Wenn man das Gebäude betritt, sieht man hinter der Einfahrt gleich das Wohnhaus des Aufsehers liegen. Das zweistöckige rote Backsteinhaus ist bedeckt mit grün glasierten Ziegeln. Einen fast ländlichen Charakter erhält das Häuschen durch seine vielen Klapp-Fensterläden. Im Haus drinnen ist alles leer. Etwas weiter hinten steht das große Pumpenhaus in norddeutscher Backsteingotik mit Jugendstil- Elementen. Zwei der ehemals drei Pumpen, die zweitweise zum Ausgleich der Wasserspiegel zwischen Klärbecken und Rhein bei Hochwasser eingesetzt wurden, sind noch zu sehen.

Die mit Backsteinen gemauerten sechs Becken sind 48 Meter lang, fünf Meter breit und zwei Meter tief. Die Becken sind miteinander verbunden und können durch einen Schieber einzeln geschlossen werden.

Gereinigt wurde das Abwasser durch Sandfänge, Rechen und Siebe. Der abgesetzte Klärschlamm wurde dann als Dünger vom Pumpwerk durch eiserne Leitungen von rund zwei Kilometer Länge auf die städtischen Äcker und Wiesen jenseits des Hochwasserdamms gepumpt. Das muss ganz schön gestunken haben. Das gereinigte Abwasser wurde durch einen Kanal zum Rhein geleitet und auf die Fluss- Sohle gepumpt.

Bis 1973 war das Klärwerk noch in Betrieb, dann wurde eine neue Anlage in Sandhofen gebaut, ein nüchterner Zweckbau.