Ehemalige Bürgerbrauerei Weinheim

Hopfenstraße 4
69469 Weinheim

Auch Weinheim hatte sein „Brauerei-Schloß“. Hinter diesem Begriff steht nicht nur die mit Lisenen, Gesimsen und Bogenfenstern stark gegliederte Fassade. Die Neubauten wurden oft optisch auffällig an damals wichtigen regionalen oder gar überregionalen Verkehrswegen errichtet. Wegen des Platzbedarfs für die Groß-Produktion im Vergleich zur Gasthaus-Brauerei geschah dies meist "vor den Toren der Stadt". Der Repräsentationswert eines solchen mindestens vierstöckigen Gebäudes stand auch für den herrschaftlichen Anspruch des Inhabers in seinem Unternehmen, die wirtschaftliche Bedeutung der „Bier-Fabrik“, aber auch für den Stellenwert von Bier als wichtigem Produkt für das tägliche Leben zu dieser Zeit. Das gleiche galt für Brauereien in der Rechtsform einer GmbH oder AG: Der Brauerei-Direktor war der Herr im Schloß und und zählte meist zu den Honoratioren der Stadt.

Die Werbewirksamkeit der Bürgerbrauerei ergab sich auch aus dessen Lage. Wichtige Produktionbetriebe wie die Gummifabrik Weisbrod & Seifert sowie die Stuhl-Fabrik Ph.Leinenkugel mit mehreren hundert Arbeitern waren unmittelbar benachbart. Die 1895 eröffnete Weschnitztalbahn zweigte hier von der Hauptstrecke der Main-Neckar-Bahn ab. Jeden Tag fuhren viele Pendler aus dem Odenwald vorbei.

Das Nebengebäude und die Direktoren-Villa, das gleichzeitig Gasthaus "Zum Brauhaus" war, zeigen die Backsteine in ihrer "natürlichen" Schönheit. Das historische Sudhaus ist an den Backsteinen farblich orientiert gestrichen und mit einem angefügten Neubau ergänzt. Eine Vielfalt neuer Nutzungen ist so möglich geworden.

Was aus anderen Brauerei-Schlössern in der Region wurde, sehen Sie hier:

Nutzung (ursprünglich)

Brauerei

Nutzung (derzeit)

Büro, Fitness-Studio, Veranstaltungen im Keller, Zahnarzt-Praxis im ehem. Gasthaus/Direktoren-Villa

Geschichte

1885 als Gasthaus-Brauerei gegründet werden als Inhaber genannt:1892 Valentin Metz, 1896 Brauerei Gebr.Metz und 1900 Valentin Metz & Comp.. Im Jahr 1900 gründen 20 Handwerksmeister die Bürgerbräu GmbH, die zehn Jahre später 45 Weinheimer Bürger als Gesellschafter hatte. Schon Pfingsten 1901 ist das erste Bier gebraut. Zur Einweihung mit großem Rundgang durch die moderne Anlage auf 5.079 m² überbauter Fläche gehören Lobreden und Ausschank. Dann produzierten zwanzig Jahre lang 25 Mitarbeiter die zwei Sorten helles Pilsener und dunkles Münchner Art. Beide werden in Flaschen verkauft. In der ausführlichen Arbeitsordnung wird auch der Freitrunk festgelegt: "Für jeden ganzen Arbeitstag erhalten als Freitrunk, Brauer, Küfer, Heizer 5 Liter pro Werktag, Hilfsarbeiter 3 Liter. - Das Bier darf nur in der Brauerei getrunken werden und wird in den von der Brauereiverwaltung festgesetzten Zeiten gegen Biermarken, die im Kontor abgegeben werden, verabfolgt und ist an Sonn- und Feiertagen nur während der Zeit, in welcher gearbeitet wird, zu beanspruchen." Interessant ist auch: "Rohe und nachlässige Behandlung der Tiere zieht sofortige Entlassung nach sich. Bei Vermeidung der gleichen Strafe ist es strenge verboten, Eis zu verkaufen, zu verschenken oder gegen andere Gegenstände zu vertauschen." Trotz oder wegen des Freitrunks gilt: "Betrunkene Arbeiter dürfen die Arbeitsräume weder betreten, noch sich dort aufhalten." Die Unfallverhütungs-Vorschrift 108: "Führer von Fuhrwerken dürfen während der Fahrt nicht schlafen."

Die Bürgerbrauerei wird 1920 von der Heidelberger Brauereigesellschaft Zum Engel vorm. C.Hoffmann AG gleichzeitig mit der Gebr. Förster GmbH in Leutershausen an der Bergstraße (heute Hirschberg) übernommen. Wie andere Brauereien erweitert und sichert sich die Engel-Brauerei ihr Absatzgebiet durch Zukauf kleiner Brauereien. Christoph Hoffmann war schon 1886 Gründer der Badischen Brauerei in Mannheim .

Nach 1920 wurden die "Kellereigebäude" vom Käufer, dem Architekten Albert Heiler aus Mannheim, abgebrochen. Der Genehmigung ging ein Schriftwechsel mit der Stadtverwaltung voraus. Das damals wertvolle Abbruchmaterial ( Steine, Balken, ...) wollte der Käufer nach Heidelberg zur Weiternutzung bringen. Die Stadtverwaltung wollte zunächst wegen der Mangelsituation auf deren Verbleib und Verwendung in Weinheim bestehen.

Das Gasthaus wird später von der benachbarten Gummiwarenfabrik Weisbrod & Seifert als Kantine genutzt. Erst im 21.Jahrhundert wird die gesamte Anlage saniert und modernen Nutzungen zugeführt. Die erhaltenen Keller dienen jetzt als originelle Veranstaltungsräume.

Erbauer
Bürgerbräu GmbH
Architekt
Karl Schweikart, Mannheim
Bauzeit / Umbauten
1900, Teilabriß nach 1920, Umbauten und Umnutzung um 2003
Quellen:
  • Weinheimer Anzeiger vom 1.Juni 1901, Anzeige
  • Arbeitsordnung für das Betriebspersonal der Bürgerbrauerei Weinheim G.m.b.H. nebst Tarifvertrag und Unfallverhütungsvorschriften, Weinheim 1907
  • Dr.J.G.Weiß: Geschichte der Stadt Weinheim, S.417, Weinheim 1911
  • Adreßbuch von Weinheim 1913 - Adreßbuch von Weinheim 1926-1927
  • Weinheimer Nachrichten 22.8.2001: Endlich hat Weinheim wieder eine Brauerei - Stadtarchiv Weinheim: Akte Rep 15 Fach 55 Heft 17
  • Volker von Offenberg - Prost Heidelberg - Die Geschichte der Heidelberger Brauereien und Bierlokale, Heidelberg, 2005
  • Brauereigesellschaft zum Engel, vorm. Chr. Hofmann A.-G. in Heidelberg (Albert Gieseler)
Denkmalschutz
Ja
Zufahrt

Nächste VRN-Haltestelle: Weinheim (Bergstraße), Friedrichschule
VRN-Fahrplanauskunft

Öffnungszeiten

Veranstaltungsraum nach veröffentlichtem Programm

Barrierefrei
Ja
Autor*in
Jürgen Herrmann

Quelle: www.rhein-neckar-industriekultur.de/objekte/ehemalige-buergerbrauerei-weinheim