Ehem. Chemische Fabrik Badenia und Holzimport im Industriehafen MA

Industriestraße 9 und 7a
68169 Mannheim

Die Spuren des ursprünglichen Dampfhobel- und Sägewerks von Ad. Messerschmitt sind leider im Sommer 2016 restlos getilgt worden.

Vorher stand an dieser Stelle ein markanter Fabrikschlot und eine kleine Halle als weithin sichtbares Zeichen alter Fabriken in der Industriestraße.

Auf diesem Gelände war seit der Gründung des Industriehafens um 1900 eines der größten Mannheimer Unternehmen der Holzbranche untergebracht, die Firma Adam Messerschmitt. Später übernahm die Chemische Fabrik Badenia Philipp Keilmann das Gelände. Doch auch die ehemalige Dachpappen- und Teerdestillations-Fabrik ist bereits seit Jahren stillgelegt. Das Markenzeichen der Badenia, ein runder Destillations-Glaskolben und die schwungvolle Schrift ist noch als (nicht mehr funktionierende) Neonreklame erhalten.

Der hohe Fabrikschlot, eine wahre Landmarke am Industriehafen, wurde 2015 abgerissen. Die Gebäude linker Hand mit dem Logo der chemischen Fabrik Badenia stammen aus den Nachkriegsjahren. Der Eingang und das Treppenhaus in der Nummer 9 strahlt noch immer den Zeitgeschmack der 50er-Jahre aus. In den neuen Gebäuden rechts entlang der Straße sind ein Möbelhaus, eine Autoreparaturwerkstatt und eine Schlosserei untergebracht. Im Bereich zum Hafenbecken hin herrscht Unübersichtlichkeit.

Auf verschlungenen Pfaden – meist zwischen Brennnesseln und Brombeerranken hindurch - gelangt man auf den Weg zwischen den Gebäuden und rechts hinter dem Fabrikschlot zum Kaiser-Wilhelm-Becken. Entlang der verfallenden Fabrikmauern kommt man zum Mannheimer Meridian, der „Pyramide“, einem 200 Jahre alten astronomischen Messpunkt. Hier hat man einen weiten Blick auf den Industriehafen.

Nutzung (ursprünglich)

Holzlagerplatz und Hobel- und Sägewerk, Dachpappenfabrik und Teerdestillation, Mineralöllager

Nutzung (derzeit)

Diverse Kleingewerbebetriebe wie Autoglaserei, Autosattlerei, Reifenhandel, Autohandel, Fußbodenbau, Imbiss, Werbetechnik, Computerdienstleistungen

Geschichte

„Ad. Messerschmitt, Dampfhobel- und Sägewerk“

Gegründet wurde das Werk als Holzhandlung und Flößerei bereits Anfang des 19. Jahrhunderts von Johann Tadäus Wagner in Mainz-Kastel. 1860 ging die Firma auf Ad. Messerschmitt über. Mitte der 1890er Jahr übernahmen die Söhne Adam und Carl Messerschmitt die Firma, die in London, Rotterdam und Antwerpen studiert bzw. kaufmännische Erfahrung gesammelt hatten. Sie nahmen auch direkte Handelsbeziehungen zu den großen Holzproduzenten in den USA und süd- und osteuropäischen Ländern auf.

1897 errichteten sie ein Lager in Ludwigshafen, 1902 kauften sie im Mannheimer Industriehafen ein ausgedehntes Gelände und errichteten dort ein großes Holzlager mit Hobel- und Sägewerk. Ein weiteres Werk bestand in Pratteln in der Schweiz. Bereits 1912 hatte die Firma laut Rotterdamer Handelskammerbericht den größten Import über Rotterdam nach dem Oberrhein. Das zu ca. 1/3 überdachte Lager hatte am Kaiser-Wilhelm-Becken eine 272 m lange Wasserfront, verfügte über Eisenbahnanschluss, eine eigene Waggonwaage, eine elektrische Krananlage, eine 250 HP Tandem-Compo und Ventil-Dampfmaschine, 4 schwedische Hobelmaschinen, verschiedene Säge- und Spalter-Maschinen, vier große Trockenkammern, sowie über eigene elektrische Kraft- und Lichtanlagen mit Akkumulatoren.

Das Angebot an unterschiedlichsten überseeischen Hölzern war riesengroß. Zusammenfassend stellte man 1928 fest: „Alle in die Möbel- und sonstigen holzverarbeitenden Branchen einschlagenden Phantasie- und Luxushölzer“. Als Beispiele wurden aufgeführt: „Große Lager in Pitch-Pine, Yellow Pine, schwedische Hobelriemen, Amerikanische Eichen, Eschen, Ahorn, Hickory, Kirschbaum, Black-Walnut, Satinnußbaum, Whitewood, Cottonwood, Basswood, Ulmen, Linden, Cypressen, Redwood, North Carolina Pine, rote Cedern, Peneil - Cedern, Sycomore etc. Tabasko, Cuba- und afrikanisches Mahagoni, Teak, Kauri, Palisander, Sabicou, Padouc, Ebenholz, Rosenholz, Olivenholz, Pockholz, Grenadilla, Citron und Lager sämtlicher inländischer Hölzer, sowie Galizischer und Bukowina-Tannen und Fichten. Großes Lager slavonischer Eichen und Rüstern aller Dimensionen.“

1928 war Carl Messerschmitt alleiniger Inhaber und hatte 35 Angestellte sowie 100–150 Arbeiter. Er war als außerordentlich kenntnisreicher Fachmann in der Branche sehr geschätzt. In vielen Broschüren und damaligen Bildbänden der Stadt machte er Werbung. Um 1936 hat Messerschmitt seinen Mannheimer Betrieb aufgegeben. Die Gründe sind nicht zu eruieren, doch kann davon ausgegangen werden, dass er nicht rassistisch verfolgt war. Die Betriebe in Mainz-Kastell und in Pratteln haben Jahrzehnte lang weiter existiert, sind aber inzwischen auch liquidiert.

Geschichte der Chemische Fabrik Badenia Philipp Keilmann

Gegründet wurde die Firma 1880 als Handwerksbetrieb zur Herstellung von Dachpappe. Philipp Keilmann trat kurz vor dem ersten Weltkrieg in die Firma ein. Die Firma in der Neckarauer Waldhornstraße 29-33 entwickelte sich gut. Sie zog in den 1920ern in die Waldhofstraße 165. Doch 1933 bekam sie keine städtischen Aufträge mehr, offenbar war der Besitzer jüdisch. 1936 kaufte Keilmann das Gelände offenbar den Betrieb von Messerschmitt. „Ein entsprechendes Gelände, das hinreichend Ausdehnungsmöglichkeiten bot, musste erworben werden“ (Quelle, Mannheim. Mittelpunkt im Rhein-Neckar-Raum 1969).

1945 trat der Sohn, Dr. Ernst Keilmann, in die Firma ein. Die Fabrik, die im Krieg erheblichen Schaden erlitten hatte, nahm erneut eine steile Entwicklung zur vollautomatischen Großfabrikation von Dachpappe mit einer Tageskapazität von ca. 20.000 m². Ferner wurden Klebemassen und Isolierstoffe hergestellt. Eine Tochterfirma in Nürnberg stellte Gussasphalt sowie weitere Spezialprodukte der Teerdestillation wie Elektrodenpeche und Elektrodenbinder her. Eine Bitumen-Großtankanlage wurde erstellt.

In den 1960er-Jahren verlagerte sich die Tätigkeit der Firma immer mehr in den Bereich der Mineralölwirtschaft. Ein Heizölvertrieb (Calofrig) wurde aufgenommen und dafür neue Tanklager gebaut. Die Badenia machte Werbung in vielen Nachkriegspublikationen Mannheims und wurde dort als weltbekanntes Unternehmen hervorgehoben. 1994 hat die Esso AG die Chemische Fabrik Badenia gekauft. In dieser Zeit hatte die Badenia ca. 100 Beschäftigte. Im Jahr 2007 wurde die Firma komplett abgewickelt. Ob es giftige Rückstände im Boden gibt, wird 2012 mit fünf Grundwassermessstellen von der Stadt Mannheim untersucht.

Quellen:
  1. Führer durch die Industrie- und Hafenanlagen von Mannheim, 1909
  2. Eine Fahrt durch die Mannheimer Hafenanlagen, 1910, Herausgeber: Verkehrsverein Mannheim,
  3. Kultur- und Wirtschaftszentrum (1928) S. IX Firmenkatalog Industrie, 1950, IHK Mannheim
  4. Mannheim im Aufbau, 1955 350 Jahre Mannheim, 1957
  5. Mannheim, Mittelpunkt im Rhein-Neckar-Raum, 1969
Denkmalschutz
Nein

TROPICAL WOODS FROM OVERSEAS

MESSERSCHMITT

In the summer of 2015 the last traces of the original Dampfhobel and Sägewerk (steam-planing and sawmill), which belonged to Ad. Messerschmitt, were sadly completely erased. Up until then, the striking factory chimney had been a prominent sign of old factories in the Industriestraße and could be seen from miles away.

Brightly painted extensions, a large number of company nameplates and disco signboards indicate the eventful recent history. The striking factory chimney and the flashing neon signs, in the style of the 1950s, recall the history of this industrial area. From 1902 to 1936, it was the chimney of the largest Mannheim wood industry business, the company Ad. Messerschmitt, Dampfhobel- und Sägewerk (steam-planing and sawmill). Valuable tropical wood was imported via Rotterdam and was sawn and split with the help of machines. The wood was then stored in drying chambers in preparation for further processing.

This is how the Messerschmitt sawmill looked in 1928.  Large, partially covered storage areas on the long water front, representative buildings in the Industriestraße (with trams and freight trains) and a massive factory chimney.

In 1936, Messerschmitt sold the land to the Chemische Fabrik Badenia (chemical plant). They manufactured roofing felts and tar distillation products, and the firm had been resident in the Neckarstadt since 1880. However, in 1933, a change of ownership was implemented by force by the Nazi-Administration. They maintained that only an "Aryan firm" would be able to win contracts from the city.

After the Second World War, the company started the fully automatic large-scale production of roofing felt, with a daily capacity of about 20,000 square metres. Furthermore, adhesives and insulation materials were produced.

During the Second World War, the classical Messerschmitt administration building was completely destroyed. Only the slightly shortened chimney, together with its plinth, still stands. On the former warehouse premises, Badenia built new production facilities.

Badenia also developed special products from tar distillation. Their trademark in the 1950s was a round distillation flask and a retort, combined with the rounded, sloping script typical of the time. In the 1960s, Badenia entered into the petroleum industry and built large fuel depots for heating-oil in the grounds. These no longer exist.

In 1994, the Esso AG  took over the Chemische Fabrik Badenia with around 100 employees. In 2007, the company was wound up completely and it left behind considerable chemical residues in the soil. Many small businesses from various sectors now use the area, including an advertising firm and a furniture store. The nightclubs are the most obvious.

THE PYRAMID

On the right, behind the factory chimney, the Kaiser-Wilhelm-Basin can be reached. There a four-meter-high “pyramid” stands on rough terrain. This served as an astronomical measuring point for the Mannheim Observatory in the 19th century. This is where the name „Pyramidenstraße“ originates.

Zufahrt

Nächste VRN-Haltestelle: Neckarstadt West, Bunsenstraße oder Pyramidenstraße
VRN-Fahrplanauskunft

Barrierefrei
Nein
Autor*in
Barbara Ritter

Quelle: www.rhein-neckar-industriekultur.de/objekte/ehem-chemische-fabrik-badenia-und-holzimport-im-industriehafen-ma