Grafitmühle Richard Anton

Mühlenstraße 5
68169 Mannheim

Zwischen den zahlreichen hoch aufragenden Silos der Umgebung (Ölmühle, Pfalzmühle, Bührer) fallen die dunkelgrauen Metallsilos fast nicht auf. Sie stehen nahe am Ufer des Industriehafens. Daneben erstreckt sich in Richtung Pfalzmühle eine niedrige Halle aus hellem Trapezblech mit einem Elefantensymbol am Giebel. Es handelt sich dabei um eine Niederlassung der Grafit-Mühle „Richard Anton KG“ (Hauptsitz Gräfelfing bei München), die schon seit 40 Jahren an dieser Stelle ansässig ist. Sie nutzt hier die Lademöglichkeiten per Bahn und Schiff. Per Schiff können bis zu 3.000 Tonnen Material auf einmal angeliefert werden.

Das bescheidene Dasein ändert sich aktuell, denn das Unternehmen hat das ehemalige Rhenania-Lagerhaus gekauft und wird sich mit dem Bau von Produktionshallen am Inselhafen prominent neu aufstellen. Der unter Denkmalschutz stehende Rhenania-Silobau bleibt erhalten.

Ziemlich schwarz

Auch von der Landseite her ist das bisherige Betriebsgelände am Ende der Mühlenstraße bislang ein reiner Zweckbau: die Verwaltung mit kupfrig gefärbten Fenstern – eine Mode der 80er Jahre – ein großzügiger Hof, dessen Pflaster von Grafitstaub schwarz glänzt und eine langgestreckte Halle mit stapelweise Palletten und Bigbags. Hinter dem Verwaltungsbau findet die Produktion in einer völlig schwarzen hohen Halle statt. Die Prozesse des Siebens, Mahlens, Homogenisierens, Mischens und Pelletierens laufen weitgehend automatisiert. Nur an den Absackanlagen füllen schwarz gekleidete Mitarbeiter den Grafit in bunte Papiersäcke, bedruckt mit dem Markennamen „RANCO“ und dem Elefanten. Die Produkte aus Mannheim gehen vor allem in Gießereien. Es sind sogenannte Aufkohlungsmaterialien zur Herstellung von hochwertigem Gusseisen z.B. für Motoren. Aber auch in Waschmaschinen oder Konzertflügeln wird Gusseisen verbaut. Reger LKW-Verkehr in der Mühlenstraße verwundert nicht, ist das Unternehmen doch ein Marktführer für diverse Grafitprodukte.

Vielseitige Verwendung von Grafit

Grafit findet wegen seiner vielseitigen Eigenschaften in ganz unterschiedlichen Industriezweigen Verwendung. Seit 1989 Asbest bei der Herstellung von Bremsbelägen verboten ist, wird dort der nicht umweltschädliche Grafit eingesetzt. Verwendet wird Grafit auch als Kohlebürste in elektrischen Motoren oder als negative Elektrode in Lithium-Batterien. Superfein gemahlen dient es als Schmiermittel.

Und nicht zuletzt kennen wir Grafit als Mine in Beilstiften. Da steckt nämlich kein Blei drin, sondern Grafit! Die Benennung war ein Versehen englischer Forscher aus dem 16. Jahrhundert, die ihre damalige Entdeckung von Grafit für eine Form des Bleiminerals hielten. Da es sich hervorragend als Schreibgerät nutzen ließ, nannte man es „Bleistift“.

Grafit ist wie Diamant ein kristalliner Kohlenstoff, der als natürlicher Stoff an vielen Orten in der Welt in der Erde vorkommt, in Deutschland – historisch und aktuell – in der Nähe von Passau, weltweit in der VR China, Korea, Madagaskar, Brasilien, Indien und Sri Lanka.

Die Firma Richard Anton, die auf eine Geschichte seit 1904 zurückblickt, war wenige Jahre Alleinimporteur für „Ceylon-Grafit“. Seit den 1970er Jahren setzt sie vollständig auf synthetischen Grafit.

Nutzung (derzeit)

Grafitmühle

Geschichte
Alleinimporteur für Ceylon-Grafit

„Ein toller Bursche sei der Firmengründer (Richard Anton) gewesen, abenteuerlustig und erfolgreich… Schon um 1900 hatte Anton Asien bereist und gründete 1904 im Lüttich mit seinem Partner Heinrich l´Allemand die Grafithandelsfirma Anton & L´Allemand. Zehn Jahre später verlagerten sie den Firmensitz nach München. Die beiden Jungunternehmer importierten Naturgrafit aus Ceylon und Madagaskar, sicherten sich ein Monopol für die Lieferung nach Europa, das nach dem Zweiten Weltkrieg endgültig verloren ging. Elefanten transportierten Anfang des 20. Jahrhundert den Grafit aus den Bergwerken im Landesinneren zum Hafen in Colombo. Anton sei von deren Anblick so beeindruckt gewesen, dass er den Elefanten zum Markenzeichen wählte.“ (Firmenportrait in der Süddeutschen Zeitung, Juni 2004 zum 100-jährigen Jubiläum).

Nicht nur Elefanten

Das erste Logo war denn auch ganz im Stil der Werbung für Kolonialprodukte der damaligen Zeit: ein Elefant mit einem 500 Kilo-Fass im Rüssel, einem Reiter auf dem Rücken und rechts und links eine Palme. Es ist nicht überliefert, ob Richard Anton auch die Menschen gesehen hat, die den Grafit aus den Minen schlugen und ob er wusste, unter welchen Bedingungen sie arbeiteten. Im Ausland seien die Produkte als „Elefantenkohle“ bekannt. Sri Lanka war und ist reich an Bodenschätzen. So kommen neben Eisenerz auch Zinnerz, Mangan, Molybdän, Nickel, Cobalt, Arsen, Wolfram, Tellur und etwas Gold vor sowie Edelsteine.

„Phantastische Geschäfte“ brechen ein

Jedenfalls beginnt die Geschichte des Familienbetriebes als Alleinimporteur von Ceylon-Grafit für Europa äußerst erfolgreich. Diese Monopolstellung ist vermutlich mit den englischen Kolonialherrn von Ceylon – heute Sri Lanka – ausgehandelt worden. Unklar ist allerdings, ob schon mit Beginn des Ersten Weltkrieges ein Boykott für deutsche Firmen verhängt wurde (wie dies in Bezug auf Jute passierte); jedenfalls blühten mindestens zehn Jahre von 1904 bis 14 „phantastische Geschäfte“ (SZ).

Doch mit dem großen Ceylon-Grafit-Geschäft war nach dem Ersten Weltkrieg Schluss. Aber dem Grafithandel bleibt das Unternehmen treu. „Den Laden, der vor allem mit Naturgrafit für Bleistifte handelte, betrieben drei ältere Herren – man wurschtelte sich so durch, spielte auf dem Markt keine große Rolle.“ (SZ ebenda)

Im Bayrischen Wald

Den nächsten Schritt unternimmt die Münchner Handelsfirma 1927 mit dem Kauf eines Werkes in Obernzell bei Passau. Passau ist die Gegend, in der natürlicher Grafit in der Erde vorkommen. Noch heute wird er dort abgebaut (durch die Firma Kropfmühle). Außerdem gibt es ein Besucherbergwerk. Richard Anton hat jedoch kein Bergwerk betrieben, sondern nutzte die alte Hammermühle, die seit 1853 Schmelztiegel unter Verwendung von Grafit herstellte. Älteren Obernzeller sei sie noch als „Rußmühle“ bekannt. Sie steht inzwischen unter Denkmalschutz. Südlich dieser Mühle liegt heute das ausgedehnte Werk der Richard Anton KG. Hier wird Grafit gebrochen und in unterschiedlicher Körnung gemahlen.

Synthetischer Grafit und neue Sparten
  • 1966 steigt Richard Mader in das Unternehmen ein. Er ist der Ehemann der Enkelin des Firmengründers. Unter seiner Leitung wird das Werk umgekrempelt. Er steigt auf synthetischen Grafit und Spezialkokse als Handelsgut um, das in modernen Produktionsanlagen auf die vom Kunden erforderten exakten Korngrößen gebrochen, gesiebt oder vermahlen wird.
  • Ein neues Standbein des Unternehmens wird der Import und Handel mit Roheisen (1972 aus Ungarn und 1974 aus Brasilien).
  • 1980 baut er ein neues Werk in Mannheim auf, das 1996 erweitert wird.
  • 2003 tritt mit Florian Mader die 4. Generation ins Unternehmen ein. Er erweitert 2004 das Portfolio um zwei Aluminiumwerke, eines davon in Ladenburg (NE-Metallhandelsgesellschaft RMG).
  • In den folgenden Jahren werden in Obernzell die Produktionsanlagen ausgebaut und modernisiert. Ab 2010 wird das Unternehmen ins „Lexikon der deutschen Weltmarktführer“ aufgenommen. Als weltweit größter Lieferant von synthetischem Grafit und Spezialkoks für Bremsbeläge.
  • Ende 2019 sind in den beiden Werken Mannheim und Obernzell zusammen 65 Personen beschäftigt.
Eigentümer
Richard Anton KG
Erbauer
Richard Anton KG
Bauzeit / Umbauten
1980, 1996, 2021
Kontakt

0621 322990

Barrierefrei
Ja
Autor*in
Barbara Ritter 02.2021
Letzte Änderung

Quelle: www.rhein-neckar-industriekultur.de/objekte/grafitmuehle-richard-anton