Ehem. Güterbahnhof am Mannheimer Industriehafen

Das zweistöckige, strahlend herausgeputzte Backstein-Gebäude und die langen Güterschuppen mit Laderampen fallen noch heute auf. Vielleicht wegen des ungewöhnlich breiten Platzes mit seinem alten, buckligen Pflaster. Oder wegen der vielen Fenster mit den Klappläden. Ein Foto aus den 1980er Jahren gibt einen starken Hinweis: Die Bahnhofsuhr im klassischen „Schweizer Design“ signalisiert die Funktion des Gebäudes. Es handelte sich hier um den „Bahnhof Industriehafen“ der Deutschen Bundesbahn. Er wurde in den 1990er Jahren jedoch aufgegeben.

Dieses schmucke Klinkergebäude aus dem Jahr 1899 war das „Stationsamt“, zuerst der Großherzoglichen Badischen Eisenbahnverwaltung, später der Reichsbahn und von 1949 an der Deutschen Bundesbahn. Jetzt wird es überwiegend als Wohnhaus genutzt. Auf der Rückseite kann man von der Hansa-Straße aus noch zwei der ehemals fünf Gleise erkennen. Ein bauzeitliches Gitter an einem Kellerfenster zur Straßenseite und das Treppengeländer zum Eingang an der Schmalseite des Gebäudes zeigen, mit welcher Liebe zum Detail damals Funktionsbauten ausgeführt wurden.

Weiter nördlich an der Kreuzung Industriestraße/Hansastraße stand das Gasthaus „Storcheneck“, in dem ein Postamt untergebracht war.

Nutzung (ursprünglich)

Güterbahnhof des Industriehafens

Nutzung (derzeit)

Überwiegend als Wohnhaus

Geschichte

Bahnbetrieb am Industriehafen:

Während der Handelshafen und der Rheinau-Hafen dem Umschlag und der Lagerung von Gütern dienen, sind im Industriehafen produzierende Betriebe angesiedelt. Sie beziehen ihre Rohstoffe zum größten Teil auf dem Wasserwege, die Fertigprodukte werden zumeist auf dem Lande abtransportiert. 1906 wurden auf der Schiene nur 6.633 t Getreide mit der Bahn angeliefert, aber 55.445 t Mehl abtransportiert.

Nach dem Beschluss zum Bau des Hafens 1895 einigte sich die Stadt mit dem badischen Staat, dass die Staatsbahn die Zufuhrgleise und einen Anschluss an ihr Bahnnetz auf Staatskosten herstellen sollte; die Kosten hierfür betrugen 1.693.873,13 Mark. Die Stadt war für den Bau der Ladegleise zuständig und musste dafür 401.988,15 Mark aufwenden.

Die ersten Industriebetriebe siedelten sich 1899 so schnell im Bereich der Industriestraße an, dass zunächst ein provisorischer Bahnbetrieb mit Pferdekraft eingerichtet werden musste.

Schwierige Verhandlungen gab es bei der Festsetzung der Frachtsätze, denn die Badische Staatsbahn wollte für den Industriehafen höhere Tarife verlangen als für den von ihr betriebenen Handelshafen. Erst nach langwierigen Verhandlungen gelang eine Gleichstellung.

Am 15.03.1900 wurde der Bahnbetrieb mit 26,51 km Gleisen im Hafen und einer 8,6 km langen Verbindungsbahn zum Sammelbahnhof auf dem Waldhof in Betrieb genommen. Als einen Monat später die Diffenébrücke eingeweiht wurde, werden Bahnbetrieb und Industrialisierung auch auf die Friesenheimer Insel ausgedehnt.

Die Arbeit der Sackträger

Die Fracht, damals verpackt in Fässer, Kisten, Kartons und Säcke, wird zunächst oft mit Pferdefuhrwerken und Sackkarren transportiert. Es gibt zwar elektrisch betriebene Kräne, aber die meiste Arbeit leisten die Hafen- und Bahnarbeiter mit ihrer Körperkraft.

Sackträger, die Lasten bis zu 100 Kilo „buckeln“, sind lange Zeit nur Gelegenheitsarbeiter in ungeschützten Arbeitsverhältnissen. Erst ab den 1950er Jahren beschäftigt ein Mannheimer Umschlagbetrieb 2.000 Sackträger in fester Anstellung.

Die Rolle der Bahn heute

Von den ehemals fünf Gleisen (davon einige Abstellgleise) des Güterbahnhofs ist wenig übrig geblieben. Am ehemaligen Güterbahnhof hält kein Zug mehr. Insgesamt spielt die Bahn am Industriehafen heute nur noch für einzelne Betriebe, wie z.B. den Recyclingbetrieb TSR und die Mühlen, eine Rolle. Nur wenige der früher insgesamt 35 km langen Gleisanlagen werden heute regelmäßig genutzt. Teilweise sind die Schienen bereits entfernt worden.

Dennoch wird derzeit die Umrundung des Industriehafens auf Schienen wieder vollständig hergestellt, um bei einem eventuellen Ausfall der Diffenébrücke die Versorgung der Friesenheimer Insel per Bahn sicherzustellen.

Eigentümer
privat
Erbauer
Großherzoglichen Badischen Eisenbahnverwaltung
Autor*in
Barbara Ritter und Albert Gieseler
Objektnummer
220
Adresse
Industriestraße 27
68169 Mannheim
Geo
49.510416, 8.466191
Zufahrt

Nächste ÖPNV-Haltestelle: Hansastraße Ecke Untermühlaustraße

FREIGHT TRAIN STATION IN THE INDUSTRIAL HARBOUR

STATION OFFICE

Before a freight shipment went out, it was weighed and counted, the consignment note filled out, and the rates calculated. A freight depot in 1900 not only needed warehouses, loading ramps and tracks, storage sidings and cranes, but they also needed a station office. The beautiful brick building, dating from 1899, served first of all as a freight station of the Großherzoglich Badischen Eisenbahnverwaltung (Grand Ducal Railway Baden).  From 1920 it was known as the Güterbahnhof Mannheim-Industriehafen der Deutschen Reichsbahn (industrial harbour freight station, run by the Imperial German Railways). From 1949 to the 1990s, it was known as the Bahnhof Industriehafen der Deutschen Bundesbahn and was run by German Railways. After this it became a private residence.

Photo from the 1980s. The clock in the classic "Swiss Design", which is no longer preserved, indicates, even from a distance, the original function of the building. The two cast-iron flag brackets and the old lattice windows have gone. The two-storey railway administration building, the long freight shed with loading ramps and the uneven, paved square still exists today. The original windows gratings can still be seen on a basement window. The banisters show that functional buildings were, at this time, built with a touching attention to detail.

The clearing of cargo was transferred to the Kaiser-Wilhelm-Becken, for here – typical for a commercial harbour – vertical loading quays had been built. This made the loading and unloading of ships easier. Two transport companies also settled here. The Mannheimer Schiffahrts- und Speditions-Gesellschaft mbH (shipping and freight company) was located at the end of the Kaiser-Wilhelm-Becken.

The photo form 1927 shows: The loading track ran past the goods shed and the station office (at the bottom of the picture). On the triangle, one can see wagons waiting on sidings for clearance, or for their departure.  Little is left of the five original tracks. The railway is now only used by individual establishments such as the Recyclingbetrieb TSR (recycling company) and the mills. Only a few tracks of the former 35 km track system are regularly used today.

When the first companies moved to the industrial harbour, the harbour railway had not been completed, so that initially a temporary transport system, using horse power, had to be set up. Even the freight, which was then packed in barrels, boxes, cartons and sacks, was initially transported by horse-drawn wagons and handcarts. While there were electrically operated cranes available, most of the work was done by the sheer physical strength of the dockers and railway workers. Sack-carriers bent under the weight of up to 100 kilo loads. For a long time they were casual labourers in insecure employment. It was not until the 1950s that a Mannheim trading Company employed sack-carriers in permanent jobs.

Denkmalschutz
Nein
Barrierefrei
Nein