ehemaliges Wohnhaus des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn
Das Barockhaus in C 4,6 – einige Jahre in Eigentum und Wohnstätte von Friedrich Engelhorn – entwickelt sich nun als Gründerzentrum für Mode und Textilwirtschaft zu einem kreativen Ort, in dem junge Menschen in die berufliche Eigenständigkeit starten. Es greift damit den Geist des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn wieder auf, der als gelernter Goldschmied in diesem Haus die Grundlagen für das später weltweit operierende Unternehmen legte.
Der dreigeschossige Putzbau wird von einem Satteldach gedeckt. Ein Gesims aus Sandstein trennt das erste und zweite Stockwerk in Höhe der Fenstersohlbänke. Ursprünglich verlief auch zwischen Erdgeschoss und erstem Obergeschoss ein Gesimsband. Die Fenster der ersten Etagen haben Ohrenrahmen aus Sandstein und dokumentieren damit die barocke Entstehungszeit. Mitte des 19. Jahrhunderts kamen die waagrechten Verdachungen als Zierelemente hinzu. Damals wurde das zunächst zweigeschossige Gebäude um ein weiteres Stockwerk erhöht. 1948 wurde im Erdgeschoss das mittlere Fenster zu einer Ladentür erweitert und die Wohnungsfenster zu Ladenfenstern vergrößert. Damals entstand auch das Gaubenband, das beim letzten Umbau 2013-15 wieder zurückgebaut und durch drei Einzelgauben ersetzt wurde.
In der unmittelbaren Nachkriegszeit entfernte man auch die hölzernen Galerien im Innenhof, die in Mannheim seit dem frühen 19. Jahrhundert als Zugang zu den Außentoiletten dokumentiert sind. Das Besondere des Innenhofs aber sind die beiden erhaltenen offenen Treppenhäuser im Seitenflügel mit den schönen Treppengeländern. Die vordere Treppe ist aus Sandstein und weist ein einzigartiges schmiedeeisernes Geländer der Louis-Seize-Zeit auf. Es war lange unter einer Betonbrüstung verborgen und kam erst bei der letzten Sanierung wieder zum Vorschein. Die Treppe mit dem wertvollen Geländer wurde mit großem restauratorischem Aufwand durch die Firmen Eschelbach sowie Traubel/Wilperath restauriert, nachdem die Finanzierung der Arbeiten durch das Friedrich Engelhorn-Archiv e.V., den Verein Stadtbild Mannheim und Rotary Mannheim gesichert war. Das hintere Treppenhaus ist aus Holz und entstammt ebenfalls dem 18. Jahrhundert, was durch die Gestaltung des Treppengeländers als Brettbaluster datiert werden kann. Es ist heute nicht mehr benutzbar und durch eine Glasfront abgeschlossen. Die straßenseitigen Räume beherbergen einen Verkaufsladen für eigene entworfene und fabrizierte Textilien. In den anderen ehemaligen Wohnräumen haben sich Existenzgründer einquartiert. Darüber hinaus gibt es noch Gemeinschaftsateliers und Besprechungsräume. Unter dem Gebäude befindet sich ein Gewölbekeller, der über eine Treppe vom Innenhof zugänglich ist.
Wohnhaus
Textilerei, Gründerzentrum für Mode & Textilwirtschaft
Der Stadt- bzw. Ratsdiener Gallus Renner errichtete in C 4,6 um 1725 ein zweigeschossiges Wohnhaus mit kurzem Seitenflügel, das den Kern des heutigen Gebäudes bildet. Nach einigen Eigentümerwechsel erwarb der Leibchirurg der Kurfürstin Elisabeth Auguste, Franz Anton von Heiligenstein (1738-1821) das Anwesen im Jahre 1767. Dessen Erben veräußerten es an den Großherzoglich Badischen Oberhofgerichtsrat Ignaz Wedekind, der bereits seit 1825 in dem Haus als Bewohner nachweisbar ist. Als Mitglied der Räuberhöhle nahm er im gesellschaftlichen Leben der Stadt Mannheim eine gewisse Rolle ein.
Friedrich Engelhorn (1821-1902) schließlich kaufte das 257 qm große Grundstück mit der Liegenschaft 1847 im Jahr seiner Heirat mit Marie Brüstling (1825-1902) von dem Blechinstrumentenmacher Johann Georg Müller und gründete hier seine Familie. In dem Haus kamen die drei ältesten seiner elf Kinder zur Welt: Marie, Anna und Fritz. Die Tochter Marie heiratet 1867 den Großherzoglich Badischen Oberstleutnant Leopold Heinrich Friedrich Freiherr Schilling von Cannstadt. Anna vermählte sich im selben Jahr mit dem Major Peter Ziegler. Fritz verstarb wenige Monate nach der Geburt.
Zur Zeit des Hauskaufs kämpfte der als Goldschmied ausgebildete Engelhorn im Rang eines Majors in der badischen Revolution. Die Wohnung im zweiten Obergeschoss vermietete er an Guillaume Smyers, einem aus Lüttich gebürtigen Ingenieur, der zusammen mit einem Kompagnon in Mannheim die „Privilegierte Gas-Apparate-Gesellschaft” gegründet hatte, nachdem die Stadtverwaltung als großes und wichtiges Vorhaben die Beleuchtung der Straßen in Angriff nehmen wollte. Schließlich konnte der Mieter auch seinen Vermieter als Teilhaber für das neue Projekt gewinnen. Damit nahm Engelhorn in diesem Haus den ersten Schritt zum Industriellendasein. Am 1. Oktober 1848 wurde die Firma in „Engelhorn & Cie.” umbenannt und anschließend im Quadrat K 6 eine Gasfabrik gebaut.
Schon 1851 – also nach drei Jahren – veräußerte Engelhorn aber das Barockhaus an den Lithografen Peter Franz Carl Brandt, Sohn des Hofschauspielers Ludwig Brandt und der Maria Danzi und verzog mit seiner jungen Familie an den heutigen Luisenring, bevor er in A 1 sein eigenes mittlerweile aber nicht mehr existente Wohnhaus baute. 100 Jahre später erwarb der Elektromeister Heinrich Maier das Anwesen in C 4,6. Aus der Erbmasse erwarb die Stadt Mannheim das Gebäude schließlich 2013 und ließ es durch das Ludwigshafener Architekturbüro Kühner & Wenneis bis 2015 zu einem Gründungs- und Kompetenzzentrum für Mode und Textilwirtschaft umbauen. Federführend begleitet wurde das Projekt vom städtischen Fachbereich für Wirtschafts- und Strukturförderung. Die „Textilerei” wurde in Anwesenheit des Mannheimer Oberbürgermeisters Dr. Peter Kurz und des Ministerialdirektors Rolf Schumacher am 14. Oktober 2015 eingeweiht.
Zur Villa des im Jahre 1855 geborenen Sohn des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn, Dr. Fritz Engelhorn in der Werderstraße 44-46 siehe /objekte/villa-dr-fritz-engelhorn.
- Detlef Junker: Marie Engelhorn. Eine kleine Übersicht meines vielbewegten Lebens, Veröffentlichung aus den Beständen des Friedrich Engelhorn-Archiv e.V. Mannheim 2002
- Tobias Möllmer: Grabmale der Familie Engelhorn in Mannheim. Von der bürgerlichen Ruhestätte zum Mausoleum von August Kraus, hrsg. vom Friedrich Engelhorn-Archiv e.V., Worms 2008
- Tobias Möllmer: Das Palais Engelhorn in Mannheim. Geschichte und Architektur eines gründerzeitlichen Stadthauses, hrsg. vom Friedrich Engelhorn-Archiv e.V., Worms 2010, S. 29-33
- Sebastian Parzer: Die frühen Jahre von Friedrich Engelhorn (1821-1864). Schüler, Goldschmied, Kommandant der Bürgerwehr und Gasfabrikant, hrsg. vom Friedrich-Engelhorn-Archiv e.V., Worms 2011
- Gutachterliche Stellungnahme zum Treppenhaus in C 4,6 Mannheim, Regierungspräsidium Karlsruhe Ref. 26 vom 18.06.2014
- Sebastian Parzer: Friedrich Engelhorn. BASF-Gründer - Unternehmer - Investor (1865-1902), hrsg. vom Friedrich Engelhorn-Archiv e.V., Worms 2014
- Nicht nur ein Haus sagt Danke....Die Renovierung des Treppengeländers in C 4,6, hrsg. vom Friedrich Engelhorn-Archiv e.V. Mannheim 2015
- Restaurierung der Treppenanlage im ehemaligen Wohnhaus von Friedrich Engelhorn, Mannheim C 4,6, hrsg. vom Verein Stadtbild Mannheim e.V. 2018
- Innovation für die Textilwirtschaft. Kompetenzzentrum im Barockhaus, in: Kultur & Baudenkmal. Bau- und Denkmalpflege. Metropolregion Rhein Neckar, Eppelheim 2015, S. 36-37
- Hans-Otto Brinkkötter: "Heil Dir im Siegerkranz" - Motivvorlage für das Treppengeländer im Wohnhaus des kurfürstlichen Leibchirurgen Heiligenstein in Mannheim C 4,6?, in: Mannheimer Geschichtsblätter 37/2019, S. 35-43
- Forschungsergebnisse von Friedrich Teutsch, Stadtarchivar i.R.